Wird Kreativität durch KI wertlos?
Wer in diesem Blogbeitrag Tipps zum effektiveren Umgang mit Midjourney erwartet, den muss ich leider enttäuschen. Denn mir geht es heute um den kreativen Wert im Umgang mit KI in der Illustration und Fotografie.
Erinnern wir uns an den Wert von professioneller Fotografie nach dem Eroberungssturm der Handyfotos. Damals entstand der böse Spruch: „Du suchst einen Fotografen? Dann ruf Dir einfach ein Taxi!“.
Heute stellen sich vor allem Kreative aus dem grafischen Bereich die Frage: Wieviel wird meine kreative Arbeit an Achtung verlieren, wenn Kreativität auch per Knopfdruck erzeugt werden kann? Aber auch: Wie beliebig werden in Zukunft Bilder sein, wenn praktisch jede/r in wenigen Minuten einen Renoir zaubern kann? Werden eindrucksvolle Bilder zur wertlosen Massenware verblassen, wenn sie als Posts die Sozialen Medien überfluten?
KI ist toll – wird aber schnell zur Routine.
Ich kann nach vier Wochen auf Midjourney sagen, dass mich die erzeugten Bilder anfangen zu langweilen. Die anfängliche Sensation über die herausragende Qualität der Ergebnisse weicht einer gewissen Beliebigkeit. Immer mehr erinnert mich dieses Erzeugen von Bildern an das Suchen von Bildern in einem Stockarchiv. Denn auch in einem Stockarchiv muss ich präzise und teilweise detaillierte und kreative Suchanfragen starten, um dann die (oft austauschbare) Ausbeute zu betrachten. Ähnlich verhält es sich bei Midjourney mit den sogenannten Prompts – den Befehlen. Denn trotz aller textlichen Bemühungen und kreativen Umschreibungen, bekomme ich eigentlich nie an das, was ich wirklich will. Und dann gerate ich ganz schnell in die Stockbild-Falle: Ich entscheide mich für ein Bild, das ich so eigentlich nicht wollte. Abgesehen davon, dass man bei der KI froh sein kann, wenn sie einem nicht gerade Menschen mit sechs Fingern oder Autos mit drei Rädern auftischt. Aber die Entwicklung schreitet rasant voran. Perfektion ist in Sichtweite.
Wie lange werden Fotografen und Illustratoren noch ihre Preise verteidigen können?
Im Moment kommt man mit einem gut gebrieften Fotografen oder Illustrator besser zum exakten Wunschergebnis (wobei auch hier der Weg zum Ziel lang (und teuer) sein kann). Aber wie lange noch? Denn selbst, wenn die KI vielleicht noch etwas Zeit braucht, um perfekt zu werden, befürchte ich, dass Fotografen und Illustratoren schon jetzt die Zukunft sehen können: „Was wollen Sie für dieses Bild? 2000.- Euro? Plus Nutzungsrechte? Schauen Sie mal, was mein Sohn in ein paar Minuten mit Hilfe einer KI gemacht hat.“
Natürlich müsste nun ein Illustrator mit Herzblut auf das heftigste widersprechen. Aber die meisten Kunden denken nun mal nicht künstlerisch, sondern kaufmännisch.
Außergewöhnliche Ideen werden den Wert einer Kampagne bestimmen. Und damit der Mensch dahinter. Noch…
Das ist die Wertlosigkeit von Kreativität, die ich meine, wenn sie in Massen produziert werden kann. Vor allem von durchschnittlicher (und austauschbarer) Kreativität, die 90% der Werbung ausmacht. Sie wird höchstwahrscheinlich noch mehr an Wert verlieren. Wertvoll werden dagegen wirklich kreative, außergewöhnliche, noch nie dagewesene Ideen, die Produkte zu Stars werden lassen. Mit dementsprechenden Umsatzsteigerungen. Die wenigen Top-Kreativen, denen das gelingt, werden gefragt und teuer sein. Wobei: Eigentlich ist das schon heute so.
In seinem YouTube Spot verkauft Adobe sein neues KI-Programm „Firefly“ als die neue grenzenlose Kreativität für Fotografen und Illustratoren. Ein Schelm, der Böses dabei denkt: 99% der Adobe-User sind Kreative, die man nicht verprellen will. Aber wem nützt diese neue grenzenlose Kreativität in der Bildgenerierung wirklich? Zum Beispiel Konzeptern und Textern wie mir, die jetzt nicht nur in Bildern denken können, sondern sie gleich mitliefern.
Doch die Hauptprofiteure werden Kunden sein, die wissen, wie schnell KI Ergebnisse liefert.
Noch ein Nachtrag:
Was Illustratoren und Fotografen etwas Zeit verschaffen mag, sind die ungeklärten Copyrightfragen. Zum Beispiel: Sind die Bildbefehle eines Menschen schon als eigene kreative Leistung anzuerkennen oder nicht? Ich denke, dass diese ungeklärten Urheberrechte der Grund sind, weshalb viele Werbeagenturen KI-Grafikprogramme im Moment nur für den internen Bereich einsetzen. Hier ist ein Spiegelartikel zum aktuellen Stand: